www.kemer-tr.info: Der aktuelle online Reiseführer für Kemer und Umgebung -Der online Reiseführer für Kemer und Umgebung mit wertvollen Informationen für Reisende, illustriert durch zahlreiche Bilder. Hier können Sie Ihren türkischen Urlaubsort KEMER schon vor der Abreise etwas kennen lernen. Hier erfahren Sie alles über Kemer, Beldibi, Göynük, Kiris, Kuzdere, Camyuva, Tekirova, Cirali, Olympos und die beeindruckende Bergwelt des westlichen Taurusgebirges.  

Den Ağva-Canyon hinab – ein einmaliges Erlebnis!

Prolog:

Wie die Leser dieser Homepage inzwischen wissen gibt es in unserer näheren Umgebung nicht nur das Meer (meistens "badewannenwarm", manchmal aber überaus stürmisch) sondern auch ein steil aufragendes Hochgebirge, den westlichen Taurus. Dieser hält mit seiner majestätischen Größe und Schroffheit immer wieder jede Menge Überraschungen bereit, nein nicht Lawinen oder Gletscherabgänge, dafür Wasser in ungeahnten Mengen, unreguliert und immer wieder auch mal flutartig herabstürzend. Dessen nicht enden wollenden Quellen, gespeist aus kaum vorstellbar großen Karsthöhlen, bilden seit abertausenden von Jahren die Grundlage für alles Leben in dieser Region und somit auch die unsrige!

Da ich, Joe, von der Ostseeküste stammend, als "Flachlandtiroler" schon seit Langem ein Faible für Berge habe und dort auch sehr gerne wandern gehe, kam mir bereits vor einiger Zeit die Idee den Ağva (sprich Aawa), unseren Fluss vor der Haustür, mal näher zu erkunden, denn hier verfügbare Informationsquellen fließen nur spärlich (halt "damla damla gibi" - Tröpfchenweise). Die große Flut vom Oktober 2006 (wir haben ausführlich berichtet, klick hier) war dann der unmittelbare Anlass dieses Projekt mit Leben zu erfüllen. Wir wollten doch wissen, wo die vielen großen Baumstämme hergekommen waren, die sich schließlich in Camyuva am Strand häuften. Noch verheerender hatte im Dezember 2003 eine Flut gewütet und in unserem Dorf sogar einige Häuser mit ins Meer gerissen. Aber da wohnten wir noch in Deutschland und unser Haus war nicht betroffen. Der letzte Winter (2006/07) war dagegen ausgesprochen regenarm und hat mit seinem niedrigen Wasserstand letztendlich zum späteren Erfolg der Aktion beigetragen.

Doch nun der Reihenfolge nach, so wie auch die Bilder der Diashow angeordnet sind.

Die ganze Sache wird konkret als wir uns im Dezember 2006, so etwa zwei Monate nach der Flutwelle, mit dem Auto auf den Weg machten, um über die Yayla-Kuzdere den Tahtali zu umrunden. Das war uns, angesichts der Straßenlage, sofern man überhaupt von Straßen sprechen kann und unter Berücksichtigung der begrenzten Möglichkeiten unseres Autos, jedoch nicht vergönnt, woraufhin wir unser Ziel dahingehend änderten, den Oberlauf des Ağva zu besuchen.

Dazu musste Ina das Auto erst mal über 100 m im Schlamm zurücksetzen, das heißt fluchend bergab rutschen, in einer Art Bachbett wenden und wieder nach Gedelme fahren. Von dort fuhren wir auf der alten Verbindungsstraße hinunter in Richtung Kuzdere. Die ersten Kilometer waren noch sehr annehmbar, auf glatter Schotterpiste ging es sanft bergab. Die Aussicht auf die Landschaft war begrenzt, doch der in Saft und Kraft stehende grüne Hochwald, der unseren Weg säumte, ließ in uns so eine Art "Schwarzwald-Gefühl" aufkommen. Die Warnungen eines Ziegenhirten (Yol bozuk!) wurden in den Wind geschlagen und nach ein paar Kilometern abwärts hatten wir den "Salat". Die Flut hatte ganze Arbeit geleistet und die Brücke über einen Nebenfluss des Ağva nicht nur in mehrere Teile zerlegt, sondern auch noch um und um gedreht. Doch die Jeep-Tours hatten daneben schon so etwas wie eine Furt gebahnt, da ging es dann ganz langsam durch. Aber nur etliche Meter weiter fehlten an einem Abhang doch wesentliche Teile der Fahrbahn, dafür lagen dicke Steine und Baumstämme in der Spur. Na, hier war kein Weiterkommen mehr, Fotostopp und mit einem freundlichen Winken für den netten Ziegenhirten wieder zurück, bis rauf nach Gedelme. Danach weiter auf der neuen Straße bergab in Richtung Kuzdere.

Nun wollten wir es natürlich wissen und sind am anderen Ende (Abzweig "Alte Römerbrücke") die alte Verbindungsstraße Kuzdere-Gedelme wieder bergan gefahren, mit der Absicht die zerstörte Brücke und die abgerutschte Fahrbahn vom anderen Ende her zu erreichen. So nach etwa 8 Kilometern hatte uns das Schicksal wieder eingeholt. Die große Brücke über den Ağva war einfach "w" wie weg. Nur die erbärmlichen Reste des Durchlassbauwerkes standen, abgeschnitten von beiden Ufern, traurig und nutzlos mitten im nur noch aus Geröll bestehenden Flussbett. Nichts zu machen, die andere Brücke blieb unerreichbar. Keine Ahnung wie viele Kilometer und Hindernisse noch dazwischen liegen. Ich habe dann die Umgebung fotografiert und dabei sinniert, wie es wohl abwärts des Flusslaufes aussehen könnte. Von oben hatten wir ja schon einige Details seines Verlaufes gesehen und auch in diesem Abschnitt sah er, wie auch im von unten begehbaren Teil, doch mehr gemütlich aus. Na, es war Winter mit hohem Wasserstand, also etwas für später aber immerhin "gebucht". Warum sollte man hier nicht auch Canyoning wie in der Schlucht von Göynük machen können?

Ende erster Teil, der Plan steht.

Die nächste Etappe der Erkundung startete im Februar 2007. Zusammen mit einer Gruppe aus Deutschland hatte ich eine Wanderung geplant: Zu Fuß die alte Straße bergan und dann über das Flussbett wieder zurück. Die Straße war ja nur zum "Warmwerden" gedacht und den Weg zurück hatten ich mit Google-Earth so auf etwa 4-5 Kilometer ausgemessen (ohne nähere Details sehen zu können). Gesagt getan, Ina brachte uns mit dem Auto zum Abzweig an der alten Brücke. Das Wetter war optimal, auch hatte es einige Tage vorher nicht geregnet, und schon ging es los. Gut gelaunt und immer noch munteren Schrittes erreichen wir nach knapp 2 Stunden die zerstörte Brücke. Da sah man es schon, im Flussbett gurgelte doch ein richtiger kleiner Fluss, mehr Wasser als noch im Dezember. Nach einer kurzen Pause nahmen wir den Abstieg in Angriff. Den ersten Kilometer kamen wir, die Seite des Flusslaufs immer wieder wechselnd, ganz gut voran. Später mussten wir wegen des hohen Wasserstandes und der niedrigen Temperatur, etliche Male mühselig über die Seitenhänge kraxeln. Bis wir einen Abschnitt erreichten, den man nur im Wasserlauf hätte folgen können, ja wenn … . Wir beschlossen umzukehren, da wir erkennen mussten, dass diese Stelle nur bei extrem niedrigem Wasserstand und angenehmeren Temperaturen, also im Sommer, zu passieren wäre. Schade, wieder ein Traum geplatzt, nein, denn ehrlicherweise muss ich sagen, dass uns die Natur in ihre Schranken verwiesen hat!

Doch Bange machen gilt nicht, der noch versperrte Weg ist so wild romantisch, urig, verlockend und viel versprechend, also werde ich auf jeden Fall wiederkommen und vielleicht doch noch meinen "deal" mit Mutter Natur machen und ihr ein paar Geheimnisse abluchsen.

Ende zweiter Teil, so eine Art Intermezzo.

Der Sommer 2007 ist lang und überaus trocken. So sehe ich, bei sinkendem Wasserstand, meine Möglichkeiten steigen, den Ağva zu bezwingen. Inzwischen ist Inas jüngerer Sohn (25) zum Urlaub machen eingetroffen und im Zuge der Vorbereitung, die ich immer weiter vorangetrieben habe, wurden Schutzhelme und Wasserschuhe besorgt. Nach ein paar Tagen der Eingewöhnung mal so ein richtiges Abenteuer für einen "Monitor-gebräunten" Stubenhocker, denke ich so ganz beiläufig.

Der dritte Teil beginnt, nun wird es richtig ernst.

Es stehen nun 110 Kg gegen 70, doch oh Wunder, weder Muttern noch der Knabe widersetzen sich meinen Verlockungen auf ein Abenteuer und der Plan wird Realität. Bei geschätzten 2,5 Stunden bergab entlang eines gemütlichen Wasserlaufs (4,25 Km) und mit Auto-Anfahrt bis an die zerstörte Brücke scheinbar ein Kinderspiel, so meine Vorstellung. Also gut gefrühstückt (natürlich etwas später, sonntags halt), Rucksack gepackt, Handy geprüft und es geht los. Ina fährt uns den Berg rauf, so sparen wir den ersten anstrengenderen Teil der Tour (denke ich). Sie wird zu Hause am Telefon auf unseren Anruf warten und uns dann unten, hinter der alten Brücke, wieder abholen.

Der Wasserstand, optimal niedrig, an der kaputten Brücke ist kaum ein Tropfen zu sehen, dann später Rinnsale, die sich vereinigen, ungefährlich. Andererseits hat man es nun mit der Temperatur zu tun. Am Beginn etwa um 35 Grad im Schatten, so man welchen findet, doch eine leichte Brise gibt Hoffnung. In der Sonne brennend heiß, die Steine auf etwa 70° "angewärmt" und auf dem Weg abwärts gibt es auch keine Wahl, denn der begehbare (kletterbare) Teil der Strecke ist sehr oft sonnendurchflutet, natürlich "mit ohne Wind".

Der Anmarsch im flach abfallenden Flussbett entspricht noch dem gedachten Kinderspiel und die Stelle der Umkehr vom Februar wird schnell erreicht. Hier hat sich die Situation nun gewendet und um vorwärts zu kommen muss man über die Felsen tief hinab, um das Wasser zu erreichen. Nach dem Passieren der ersten Steilwände tut sich uns ein atemberaubender Blick auf. Das Wasser verschwindet im Berg und wir folgen ihm rasch. Immer enger wird die Schlucht und schließlich stehen wir in einem engen Durchlass, der danach zu einem Tunnel wird. Hier pfeift ein kühler Wind, wir verschnaufen und genießen das Schauspiel aus Wasser, Licht und Schatten sowie den Felsgruppierungen hoch über uns. Ja, das ist's was wir erhofft und nun auch erreicht hatten. Das ist Canyoning! Nach der nächsten Biegung, leicht zu begehen, sehen wir senkrecht aufragende Felswände im hellen Sonnenschein. Überwältigende Kontraste, die selbst mit einer guten Kamera kaum zu erfassen sind.

Dann folgen unzählige schwer zu überwindende "Katarakte", die trotz niedrigem Wasser umgangen werden müssen. Die ersten Flüche sind zu hören, die Zahl der Schrammen vom Gestrüpp nimmt zu, doch einen, noch günstigen, Punkt zur Umkehr lassen wir hinter uns. Gerade als ich meine, dass wir das Schlimmste nun wohl geschafft hätten, tauchen urwüchsige Felsen in der tiefen Schlucht auf und die Plackerei geht von vorn los. Links, rechts, hoch, runter, wo geht’s lang, renn nicht so, hilf mir mal, ist noch Wasser da, na ein Bisschen, drei Stunden sind um. Es ist als hätte hier ein Riese mit tonnenschweren Kugeln Billard gespielt und nie ein Loch gefunden. So gibt es neben rauf und runter Klettern auch kriechen, zwängen und schlängeln. Im Anflug einer ersten Krise rasten wir und erfrischen uns mit kaltem Wasser. Wozu so ein Schutzhelm nicht alles gut ist.

Das Handy funktioniert (kein Funkloch, wo gibt es das sonst noch?) und wir melden uns mal bei Ina, die uns jetzt eigentlich schon erwartet hat. Na, vielleicht noch eine gute Stunde und wir sind unten, wird durchgesagt. Wunsch komm raus du bist umzingelt! Ja, das stimmt natürlich, wir sind umzingelt und Juniors Vorschlag doch nach oben auszuweichen, verpufft nicht nur wegen der Hitze, sondern auch der Aussichtslosigkeit wegen. Also vorwärts, das ungewünschte Abenteuer ruft!

Unser Trinkwasser ist alle und um Stunde fünf immer noch nur ein Felsbrocken neben dem Anderen. Das Bachwasser trinken wir lieber nicht, wer weiß, was da so alles rein läuft. Endlich kommt eine Strecke, der man komplett im Wasserlauf folgen kann oder links und rechts auf flachen Sandbänken. Es taucht rechterhand eine Felsnadel auf und daneben einige Wasserlöcher, die Wildschweinen als Suhle dienen. Da gibt es nur eines, ab in die Fluten, natürlich in voller Montur. Bloß gut, dass der Fluss noch genug Wasser hat. Das weckt die Lebensgeister, der Kreislauf tourt ab und der Mut zum Weitergehen wächst. Dann kommt so richtig Hoffnung auf und das obwohl der Mund weiterhin trocken ist und die Koordination nur noch eingeschränkt funktioniert, wir sehen ersten "Wohlstandsmüll" in Form von Büchsen (wäre doch zu schön jetzt so ein Efes zu schlürfen) und Plastikflaschen.  Die Grenzen der Belastbarkeit sind erreicht, wenn nicht überschritten. Ina angerufen: "We are still alive!", einen Sixpack Wasser bestellt, "fahr los und hol uns heim!" Wir taumeln an den einheimischen "Picknickern" vorbei, die uns behelmten und klitschnassen „Traumtänzern“ fassungslos nachblicken. Die neue Parkplatzbarriere aus großen Steinen in Sicht, noch mitten zwischen Ausflüglern und "cöp" zu Hauf, taucht Ina als rettender Engel auf. Ja, wir haben es geschafft und als ich Ina frage, wie spät es denn sei, 17:30 Uhr, wird mir klar, wer in den vergangenen sechs Stunden wen besiegt hat. Mein besonderes Lob gilt dem Sportsgeist und dem Durchhaltewillen von Thomas. Das hätte ich nicht erwartet. Seine "Sauerstoffphobie" kann man nun getrost als geheilt betrachten. Vielleicht gibt es später mal einen Orden für die Ağva–Bezwingung, wie er schon einige bei der Bekämpfung der Elbeflut 2002 verliehen bekommen hat, aber so ist das halt mit Orden, wie mit Bomben – sie treffen immer die Unschuldigen.

Ende dritter Teil, hätte auch anders ausgehen können.

Epilog:

Noch etliche Tage plagen uns Schrammen und Blasen an den Füßen. Der sich einstellende Muskelkater gibt uns mehr als ein unangenehmes Gefühl für vorher nie gespürte Muskelpartien. Nun, einige Tage später, kommt neben dem Stolz doch auch der Realitätssinn zurück. Zur Nachahmung kann die komplette Tour, wenn überhaupt, nur trainierten unerschrockenen Naturen empfohlen werden. Neben der genannten Ausrüstung, sollte man mindestens drei Liter Trinkwasser pro Person mitnehmen. Natürlich nix für Pauschaltouristen wie "klein Erna" aus Wanne-Eickel!

Es hat sich wieder einmal gezeigt, dass man hier viel mehr als Meer und Sonne erleben kann und dass sich der Ağva-Canyon nicht hinter dem von Göynük zu verstecken braucht, ein echtes Naturwunder! Die Vielfalt und gleichzeitig betörende Einzigartigkeit dieser Landschaft ist es, die uns immer wieder neu in ihren Bann zieht und unsere Wahl hier zu leben bestätigt.